42 Jahre lang Bierfahrer für die Aktienbrauerei Kaufbeuren: Nun tritt Reinhard Drescher kürzer
Reinhard Drescher hat fast sein ganzes Berufsleben Bier für die Aktienbrauerei Kaufbeuren ausgefahren. Warum er Träger der Goldenen Kehrschaufel ist.
Sein Lieblingsgetränk ist Latte macchiato. Wer hätte gedacht, dass Reinhard Drescher mehr auf Kaffee als auf Bier steht. „Es kommt auf die Tageszeit an“, sagt der. „Bei der Arbeit ist Alkohol natürlich tabu.“
Ansonsten ein Helles aus dem eigenen Haus, ist doch klar. Jetzt sagt „Reini“, wie ihn seine Kollegen kennen, der Aktienbrauerei Kaufbeuren, für die er 42 Jahre als Bierfahrer gearbeitet hat, ade. Er geht in den Ruhestand. Kraftfahrer ist seine offizielle Berufsbezeichnung. Und Kraft brauchte Drescher für seinen Job. Viele Tonnen hat der 64-Jährige in der Summe jeden Tag bewegt. Fässer und Kisten, immer mit der
Sackkarre. Für die Gastronomie und den Handel. „Wir bringen das Bier ja bis in die kleinsten Abstellkammern“, sagt er. Mit einem Hubwagen würde man da schnell vor unüberwindbaren Hürden stehen. Hände wie Schraubstöcke hat Drescher, ansonsten ist er eher zierlich. „Ich bin gesund und munter“, sagt er – mal zwicke etwas, aber nichts Chronisches.
Seinen Lastwagen hat er immer wie ein Familienmitglied behandelt. Der braun lackierte Transporter war picobello in Schuss, wenn Drescher den Kaufbeurer Afraberg für seine Lieferfahrten verließ. So wie der Fahrer selbst. „Du hast die Aktienbrauerei immer positiv vertreten“, sagt Geschäftsführer Gottfried Csauth zum Abschied. „Und Du hast immer mehr gemacht als gefordert.“ Der gelernte Kfz-Mechaniker ist Träger der Goldenen Kehrschaufel, mit der die Aktienbrauerei die beste Lkw-Reinigung würdigt. Selten ging mal was kaputt. „Wer keine Scherben produziert, arbeitet nicht“, sagt Drescher.
Der Kaufbeurer erinnert sich an die frühen Zeiten, als er in seinem grünen Fünftonner mit Halbschnauze und Hänger zu den Kunden gefahren ist. Klimaanlage und Radio – Fehlanzeige. Dafür Schneeketten. Der Tourenplan war fix: Montag Ulm, Dienstag Neugablonz, Mittwoch Mindelheim, Donnerstag Roßhaupten, Freitag Kaufbeuren. Der Reini – überall willkommen, ein Schwätzchen war immer drin. „Die Gespräche wurden mit der Zeit kürzer“, sagt Drescher lächelnd. „Zeit ist halt Geld.“
Als der junge Mann nach der Bundeswehrzeit 1980 seine Arbeit auf dem Afraberg begann, dauerte es nicht lange, bis er sich keinen anderen Arbeitgeber mehr vorstellen konnte. Viel hat sich bei der Aktienbrauerei seitdem verändert. Die Eigentümer und Produkte wechselten. Bei der Arbeit auf dem Bock ist das nicht entscheidend. „Mir war immer wichtig, das Bier sicher und pünktlich zum Kunden zu bringen“, sagt er. Heilfroh ist Drescher, dass das Geschäft nach den Corona-Einschränkungen nun wieder anzieht, dass Tänzelfest war, Biergärten und Festzelte öffnen. Dafür hat er noch ein paar Monate Arbeit drangehängt. Und mit einer Gewohnheit will er nicht brechen: Aufgestanden wird auch künftig jeden Tag um 4 Uhr.
Ein Bericht der Allgäuer Zeitung von Alexander Vucko.